M. R.                                      Sonette nach evangelischen Stellen

um 1850

 

Gebet

 

Der Du des Sanges Gabe mir verliehen,

Allgüt’ger Gott, erhör’ mein kindlich Fleh’n,

Gieb, daß empor zu Deinen reinen Höh’n

All meine Lieder wie Gebete ziehen!

 

Die Himmelssehnsucht möge sie durchglühen,

Der Geist des Glaubens sanft in ihnen wehn,

Und Liebesfeuer möge voll und schön

Aus jedem Lied, aus jedem Laute sprühen!

 

Und gieb, daß einer gleichgesinnten Seele

Dein Hauch den frommen Sang hinüberträgt,

Der ihr von Deiner Liebeshuld erzähle

 

Und tief den andachtsvollen Geist bewegt,

Der eine frohe Botschaft ihr verkünde

Von Jesu, dem Erlöser von der Sünde!

 

 

Christi Einzug in Jerusalem

 

Es schmücket Zion sich mit grünen Zweigen

Und macht dem König seinen Weg bereit,

Denn Wahrheit wird, was lange prophezeit:

Messias kommt und will dem Volk sich zeigen.

 

Und Alle sich vor ihm im Staube neigen,

Mit Palmen ist der Weg vor ihm vbestreut,

Es tönet: Hossianna! laut und weit,

Gelobt sei, der dem Hause Davids eigen!

 

Dein König kommt in einer Weihenacht,

So schmücke Dich, Du meine liebe Seele,

Daß er zu seiner Wohnung Dich erwähle,

 

Und nicht von Dir der fromme Jünger klagt:

„Der Herr ist in sein Eigenthum gekommen,

Die Seinen haben ihn nicht aufgenommen.“

 

 

Johannes der Täufer

 

Den Ihr hinausgegangen seid zu sehen,

Ist es ein Mann mit einem weichen Kleid,

Der Jenen gleichet, die zu aller Zeit

In Königshäusern müß’ge Wege gehen?

 

Ist es ein schwaches Rohr, vom Windeswehen

Benutzt zum leichten Spiele? oder seid

Den Mann Prophet zu nennen Ihr bereit? –

Von diesem in der Schrift die Worte stehen:

 

„Es sandte Gott den Engel ihm voran,

Damit der Weg dem Herrn bereitet werde.

Von allen Staubgebornen dieser Erde

 

Ist keiner, der mit ihm sich messen kann.

Doch kommt er nicht in seiner Größe gleich

Dem Allerkleinsten in dem Himmelreich.“

 

 

Christi Geburt

 

Seht, also hat der Herr die Welt geliebt,

Uns seinen eingebornen Sohn gegeben,

Auf daß ein Jeder habe ew’ges Leben,

Der sich in frommem Glauben ihm ergiebt.

 

Der Heil’ge und Gerechte war betrübt

Um unsre Sünde, sie von uns zu heben

Hat sich der Sohn zum Lösegeld gegeben,

Erbarmend das Versöhnungswerk geübt.

 

Maria neigt sich zärtlich auf die Krippe,

Die Hirten stehn mit freudigen Geberden,

Und durch die Nacht, die gottgeweihte, schallen

 

Die Lobgesänge von der Engel Lippe:

„Gott in der Höh’ sei Ehre, Fried’ auf Erden,

Und allen Menschen sei’s ein Wohlgefallen!“

 

 

Christi Darstellung im Tempel

 

Da Joseph und sein Weib im Tempel waren

Mit ihrem Kind, wie’s pflegte zu gescheh’n,

Beginnt des Geistes Auge aufzugeh#n

Dem Simeon, dem Mann mit greisen Haaren.

 

„Nun lässet Herr Du mich in Frieden fahren,

Mein Auge hat den Heiland nun gesehn,

Der bald, zu Vieler Fall und Auferstehn

Als Dein Gesalbter sich wird offenbaren.“ - -

 

Die nur im Geiste Christi Werke sahn,

Sie glaubten und bekannten dies mit Freuden,

Und wir, vor deren Blick die Lebensbahn

 

Des Heilands liegt mit allen bittern Leiden,

Die wir gesehn, wie er zum Tod gegangen –

Wir sollten nicht im Glauben an ihm hangen?

 

 

Die Weisen aus dem Morgenlande

 

Die Weisen aus dem Morgenlande nahn:

„Wo ist der Juden junger König? Wollt

Ihr’s künden, daß man ihm Verehrung zollt?

Wo ist das Kindlein, dessen Stern wir sahn?“

 

Es weis’t der Stern nach Bethlehem die Bahn,

Dort finden sie den Knaben zart und hold,

Sie breiten Myrrhen, Weihrauch aus und Gold

Und beten ihn in stiller Ehrfurcht an. –

 

In Dunkelheit war rings die Welt gehüllt,

Sie hoffte auf das Licht, sie harrt des Herrn,

Und siehe, da erscheinet klar und mild

 

Der wunderbare, der ersehnte Stern!

Er strahlt nicht nur den Juden, auch den Heiden,

An seinem Glanz soll sich der Erdkreis weiden!

 

 

Jesus im Tempel

 

Es machen sich jen Zion auf die Reise

Die Eltern Jesu, um das Fest zu ehren,

Doch fehlt der Knabe, da sie heimwärts kehren,

Trotz allem Späh’n und Suchen ihrem Kreise.

 

Sie finden endlich ihn im Tempel. Weise

Umgeben ihn, er lauschet ihren Lehren,

Ob seiner Fragen staunen, die ihn hören,

Verwundern sich die schriftgelehrten Greise.

 

Maria eilt zum Kinde hin und spricht:

„O warum hast Du dieses uns gethan?“

Der Knabe aber schaut sie ernsthaft an

 

Und fragt dawieder: „wißt Ihr es denn nicht,

Daß ich am liebsten und zu jeder Frist

In dem muß sein, das meines Vaters ist?“ -

 

 

Vom Hauptmann zu Capernaum

 

„Wenn Du es willst, so kannst Du mich befrein

Vom Aussatz,“ spricht zum Herrn ein kranker Mann.

„Um Deines Glaubens willen sei’s gethan!“

Der Heiland rührt ihn an und er ist rein.

 

Dann in Capernaum tritt Jesus ein,

Ein Hauptmann kommt und fleht um Hülfe an

Für seinen Knecht. „Du brauchst Dich nicht zu nahn

Dem Hause, schon Dein Wort wird Rettung sein.

 

Wenn Einem meiner Knechte ich gebiete:

„Thu’ dies,“ so thut er es, und „gehe hin,“

So geht er. Mir, der ich ein Mensch nur bin,

 

Gehorchet er.“ Und Jesus spricht voll Güte:

„So großen Glauben hab ich nie gefunden!

Geh, kehre keim, es wird Dein Knecht gesunden.“

 

 

Jesus im Schiff

 

Es ist der Heiland in ein Schiff getreten

Mit seinen Jüngern, dort entschlummert er.

Sieh’, in den Wogen wühlend, kommt daher

Ein Ungetüm; die Jünger angstvoll beten

 

Und wecken Jesum auf in ihren Nöthen.

„Kleingläubige, was fürchtet Ihr so sehr?“

Und er bedroht den Sturmwind und das Meer,

Ganz stille ward’s und sanfte Lüfte wehten. –

 

Ob Sturm und Welle noch so furchtbar kämpfet

Und Euer Lebensschifflein schwanken läßt,

O, haltet nur am Glaubensanker fest,

 

Ein Wort des Herrn das wilde Wetter dämpfet!

Ganz stille wird’s, und friedlich durch die Wogen

Ist nun das Schifflein heimwärts fortgezogen.

 

 

Vom Unkraut unter dem Weizen

 

Mit gutem Samen säet einst ein Mann;

Dazwischen sä’t der böse Feind voll List

Ihm Unkraut. Als es aufgeschossen ist

Gewahrt’s der Herr, „das hat der Feind gethan.“

 

Doch spricht er zu den Knechten: „stehet an

Es zu vernichten, eine kurze Frist,

Bis daß der erntetag gekommen ist;

Das Ukraut sondert von dem Weizen dann.“ –

 

Laßt Euch nicht irren, wenn Ihr oft hienieden

Das Böse ungehindert wuchern seht.

Noch ist ihm eine Gnadenfrist beschieden,

 

Allein die Erndte kommt, es wird gemäht,

Und was man nicht als edle Frucht erkannt,

Zusammen wirds gebunden und verbrannt

 

 

Von den Arbeitern im Weinberge

 

Es ging ein Mann sich Leute zu erkunden

Für seinen Weinberg schon am Morgen früh;

Um einen Groschen Taglohn dingt er sie,

Und dingt noch andre sich zu spät’ren Stunden.

 

Doch zahlt er Allen, da der Tag geschwunden,

Den gleichen Lohn für ihrer Arbeit Müh’

Darüber unzufrieden murren sie,

Die er am ersten auf dem Markt gefunden.

 

„Erreget meine Güte Euern Neid?

was macht ihr unzufriedene Geberden?

Sagt, ob ein Deut an Eurem Lohne fehlt?“ –

 

Nicht gilt’s, ob Du Dich früh, ob spät geweiht

Dem Herrn, der Erste wird der Letzte werden,

Viel sind berufen, Wen’ge auserwählt. -

 

 

Vom Sämann

 

Ein Sämann ging zu sä’n. Der Same fiel

Hier auf den Weg, wo ihn die Vögel fraßen,

Dort auf den Stein, um Wurzel kaum zu fassen,

Die Pflanze dorrt und ist dem Wind ein Spiel.

 

Es muß von Dornen sich der zarte Stiel,

Der kaum entsprossen ist, ersticken lassen;

Auf guten Boden fielen kleine Massen,

Dort gehn sie auf und kommen schön zum Ziel.

 

So wird das Gotteswort durch Jesu Hand

Als Saamenkorn in unser Herz gestreut;

Dies gleicht dem Weg, dem Stein, dem Dornenland,

 

Darin die Pflanze nicht zur Frucht gedeiht.

Doch wo es weich und edel ist gestaltet,

Zur Reife sich die gute Saat entfaltet

 

 

Von Jesu Leiden

 

„Ich werde bald hinauf nach Zion gehn,

Damit sich, was geschrieben steht, erfülle,

Des ew’gen Vaters gnadenreicher Wille

Er soll, von seinem Sohn vollführt, geschehn.

 

Sie werden mich verspotten, mich verschmäh’n,

Mich geißeln, endlich, daß der Haß sich stille,

Mich tödten – aber aus des Grabes Hülle

Werd ich am dritten Tage auferstehn.“

 

Der Du der Reinste unter Allen bist,

Du trugst die Sünden einer ganzen Welt,

Die nur zu oft in Undank Dich vergißt;

 

Für Viele gabst Du Dich zum Lösegeld.

Sanft, wie das Lamm, das man zum Tode leitet,

Hast Du zum schweren Gange Dich bereitet.

 

 

Christi Versuchung

 

Seit vierzig Tagen weilt am wüsten Ort

Der Herr und fastet. Sieh’, es schleicht heran

Der böse Geist. „Gebiete, hebt er an,

Zu Brod wird Dir ein jeder Stein sofort.“

 

„Vom Brode nicht allein, doch von dem Wort

Des Herrn,“ erwidert Jesus, „lebet man.“

„Da Dich das Heer der Engel tragen kann,

Stürz Dich hinab von hoher Zinne Bord.“

 

„Du sollst Gott nicht versuchen, steht geschrieben.“

„Ich will die Reiche dieser Welt Dir geben,

Wofür Anbetung ich von Dir begehre.“

 

Doch Jesus ruft, von heil’gem Zorn getrieben:

„Du sollst von mir hinweg Dich, Satan, heben!

Es steht geschrieben: gebet Gott die Ehre!“

 

 

Von Christi Steinigung

 

„Ja wahrlich, Abraham er freute sich,

Da meinen Tag er schaute wonnevoll.“

„Du bist nicht fünfzig Jahre alt, wie soll

Dich Abraham gesehen haben? sprich!“

 

„Eh’ Abraham gewesen ist, war ich!“ –

Auf’s Höchste steigt des blinden Volkes Groll,

Mit Steinewürfen zahlet es den Zoll

Für Jesu Reden, - doch der Herr entwich. –

 

Im Anfang ist das Wort bei Gott gewesen,

Gott war das Wort, dann ward es Fleisch und kam

Bei uns zu wohnen und uns zu erlösen.

 

Doch sieh! fast Keiner von den Seinen nahm

Es auf, das fleischgeword’ne Wort, das Licht

Schien in die Finsterniß, sie kannten’s nicht. -

 

 

Christi Einzug in Jerusalem

 

Sanftmüthig kommt Dein König Dir entgegen,

O Tochter Zion, auf der Eselin,

Und Deine Söhne eilen jubelnd hin,

Auf seinen Weg die Kleider ihm zu legen.

 

„Dem Sohne David’s werde Heil und Segen!

Gelobt sei, der da kommt!“ Mit Palmen ziehn

Sie vor ihm her, und zu begrüßen ihn,

Tönt’s „Hosianna!“ laut auf allen Wegen.

 

Dasselbe Volk, das jetzt ihm Palmen streut

Und Hosianna ruft, nach wenig Tagen

Ist es von glühndem Haß erfüllt, bereit

 

Den treuen Jesus an das Kreuz zu schlagen.

O unbeständ’ge undankbare Welt!

Du stürzest morgen, was Dir heut gefällt! -

 

 

Vom heiligen Abendmahle

 

Zum letzten Male speiset Jesus Christ

Mit jenen Zwölf, die seine Seele liebt,

Das Passalamm. Er spricht zum Tod betrübt:

„In Eurer Mitte mein Verräther ist.“

 

Der falsche Judas fragt mit arger List:

„Rabbi, bin ich’s?“ Der Herr die Antwort giebt:

„Du hast’s gesagt! Es sei von Dir verübt,

Was Du zu thun gedenkst, nach kurzer Frist.“

 

Dann bricht der Herr das Brod, er reicht den Wein:

„Nehmt, es’t und trinkt, das ist mein Leib, mein Blut,

Vergossen zur Vergebung Eurer Sünden.

 

Dies soll ein Mahl mir zum Gedächtnis sein,

wenn Ihr fortan im Glauben also thut,

Sollt Ihr bei Gott die ew’ge Gnade finden.“

 

 

Kreuzigung

 

Er haucht das letzte Wort: „Es ist vollbracht!“

Und neigt das Haupt und stirbt. – Die Festen beben

Der Erde, die Begrab’nen sich erheben,

Den Schein verliert die Sonne, es wird Nacht.

 

So ist denn in des Todes finstre Macht

Das unschuldsvolle Gotteslamm gegeben,

Auf daß wir in ihm haben ew’ges Leben,

Hat schmachvoll er zu sterben nicht gezagt.

 

Und über diesem schmerzensreichen Bild

Da rührt sich selbst die fühllose Natur

Allein der Mensch, dem dieses Opfer gilt,

 

Er zeigt verstockt vom Glauben keine Spur.

Am Kreuze steht das Volk mit Spott und Hohn,

Ein Einz’ger spricht: „Ja der war Gottes Sohn!“

 

 

Auferstehung

 

„Wer wälzt den Stein uns von des Grabes Thür?“

So fragen auf dem Wege bang die Frauen.

Doch sieh, das Grab ist auf und innen schauen

Sie eine Lichtgestalt. „Wen suchet Ihr?“

 

„Der Jesus, den Ihr sucht, ist nicht mehr hier!

Er wandelt frei durch Galiläas Auen.

Geht hin und schauet, wollt Ihr mir nicht trauen,

Aus seinem Grab trat Jesus Christ herfür!“

 

Christ ist erstanden! Tod, wo ist Dein Schrecken?

Wo, Hölle, ist Dein Sieg? Du bist bezwungen!

Nicht kann die Nacht den Herrn des Lichtes decken

 

Und in den Sieg hat er den Tod verschlungen.

Christ ist erstanden, so erstehn auch wir!

Er wälzt den Stein von unsres Grabes Thür!

 

 

Vom ungläubigen Thomas

 

„Nicht glaub’ ich, bis mir Jesus ist erschienen,“

Spricht Thomas, „bis ich selbst ihn darf berühren.“

Die Jünger sitzen bei verschlossnen Thüren,

Da steht der Heiland plötzlich unter ihnen.

 

„Jetzt Thomas, sieh mich an mit gläub’gen Mienen.

Daß Du mein Auferstehen magst verspüren,

Will Deine Hand ich an die Wunden führen,

Die aller gläub’gen Menschen Sünden sühnen.“

 

Der Glaube ist gewisse Zuversicht

Des, das man nicht gesehn, das man nicht weiß.

Der Glaube führt erst zu des Wissens Licht.

 

Es ist das Schauen erst des Glaubens Preis.

Gleichwie die Liebe ist der Glaube blind,

O selig, die nicht sehn und gläubig sind!

 

 

Vom guten Hirten

 

Der Heiland spricht: „Ich bin ein guter Hirt!

Ich kenne sie und bin bekannt den Meinen,

Auf meinen Ruf wird sich die Herde einen,

Zur grünen Au’ sie gern mir folgen wird.

 

Die Schaafe such ich treulich, die verirrt,

Mit Namen ruf ich sie, die groß und kleinen,

Mein Leben laß ich, will ein Wolf erscheinen;

Der feige Miethling aber flieht verwirrt.“

 

O, daß ich, als ein Lämmlein Deiner Herde,

Von Deinem Ruf gelockt und Dir bekannt,

Dir folgen dürfte in Dein Heimathland,

 

Von dornenreichen Fluren dieser Erde

In Deines Himmels palmenschatt’ge Auen,

Und zu den Wassern, die dort oben thauen!

 

 

Von Christi Heimgang

 

„Nach kleiner Zeit sollt Ihr mich nicht mehr sehen,

Und aber um ein Kleines seht Ihr mich.“

Die Jünger fragen staunend: „Meister, sprich,

Wie meinst Du das, wie sollte dies geschehen?“

 

„Verlassen muß ich Euch, von hinnen gehen,

Und Traurigkeit bemächtigt Eurer sich,

Sie wandelt sich in Freude wonniglich.

Ein Kleines noch, dann sollt Ihr mich verstehen.

 

Denn Dieses sag ich Euch und Andres mehr,

Auf daß Ihr dessen denkt, was ich verkünde,

Wenn ich auf Erden Euch allein gelassen.“ –

 

Von Tod und Auferstehung redet er,

Doch auf der Jünger Augen liegt die Binde,

Sie können nicht den Sinn der Worte fassen.

 

 

Vom rechten Gebete

 

„Wenn Ihr die Seele im Gebete wollt

Aus vor dem Herrn, dem Allerbarmer, schütten,

So mögt Ihr ih meinem Namen bitten,

Denn solcher Bitte ist der Vater hold.

 

Die Sünde hält Euch fern von Gott, so sollt

Ihr mich zum Mittler nehmen und zum Dritten,

Mich, der für Eure Sünde hat gelitten,

Dann wird der Bitte die Gewähr gezollt.“ –

 

Kein andrer Name ist der Welt gegeben,

Darin sie möge ewig selig werden,

Denn nur der Name Jesu; die auf Erden

 

Und die im Himmel sind, im bessern Leben,

In seinem Namen beugen sie das Knie,

In keinem andern giebt es Heil für sie!

 

 

Verheißung des heiligen Geistes

 

„Ich gehe hin, Ihr sollt mich nicht mehr blicken,

Wenn ich nicht gehe, kommt der Tröster nicht.

Daß es am heil’gen Geist Euch nicht gebricht,

Geh’ ich hinweg und will ihn zu Euch schicken.

 

Derselbe strahlt die Welt in dreien Stücken:

Um Sünd’, Gerechtigkeit und um Gericht.

Er zündet in Euch an des Glaubens Licht,

Den Fürst der Welt, er wird ihn unterdrücken!

 

Er wird Euch dann in Alle Wahrheit leiten,

Von Meinem nimmt er es und giebt es Euch,

Und was zukünftig ist, wird er Euch deuten.

 

Nicht wird er von sich selber zeugen, gleich

Wie ich vom Vater zeugte für und für,

So zeuget er, der heil’ge Geist, von mir.“

 

 

Himmelfahrt

 

Nach vierzig Tagen muß der Heiland scheiden

Von seinen Jüngern. „Künftig, spricht er, seid

Ihr ganz allein, es wird nach langem Leid

Mich Gott mit alter Herrlichkeit bekleiden.

 

Geht hin in alle Welt und lehrt die Heiden,

Tauft sie im Namen der Dreieinigkeit;

Und gleich wie Ihr von mir geleitet seid,

So mögt ihr ferner meine Schaafe weiden.

 

Ich werde bei Euch bleiben bis an’s ende

Der Welt.“ – Da, während er zum letzten Segen

Auf alle Jünger breitet seine Hände,

 

Kommt eine Wolke, sich um ihn zu legen;

Sie sehn von ihr ihn himmelwärts gehoben,

Und kehren heim mit Danken und mit Loben.

 

 

Ausgießung des heiligen Geistes

 

Da an dem Feste beieinander saßen

Die Zwölfe, kam ein Brausen und ein Wehen

Vom Himmel, und den Geist die Jünger sehen

Gleich Feuerzungen sich herniederlassen.

 

Und Petrus spricht zum Volke auf den Straßen

Von Allem, was durch Christus ist geschehen,

Von seinem Leben, Tod und Auferstehen.

Und tauft auf seinen Namen ihre Massen.

 

Auch heute weht und rauschet durch die Welt

Der heil’ge Geist mit seiner Wunderkraft,

Und selig ist, auf wen die Flamme fällt,

 

Die reinigend in seinem Innern schafft.

er ist von Neuem aus dem Geist geboren,

Und zu des Reiches Erben auserkoren.

 

 

Nikodemus bei Jesus

 

Zum Herrn kommt Nicodemus bei der Nacht;

Nach Gottes Reich sein Sehnen rege ist.

Wir wissen, Meister, daß Du weise bist,

Bekleidet mit des Höchsten Wundermacht.“

 

Und ehe Nicodemus mehr gesagt,

Giebt Jesus ihm die Antwort: „Nun so wißt:

Wer aus dem Geiste neu geboren ist,

Der schaut allein des Gottesreiches Pracht.“ –

 

Schaff’ in uns Gott, ein reines Herz, und gieb

Uns einen neuen und gewissen Geist,

Der festen Glauben habe an die Lieb’,

 

Die Du in Deinem Sohne uns erweist;

Dann darf uns auch die Hoffnung froh beseelen,

Daß wir dereinst in Deinem Reich nicht fehlen.

 

 

Vom reichen Mann und armen Lazarus

 

In Freud’ und Herrlichkeit verlebt die Stunden

Ein reicher Mann, er schwelgt im Überfluß.

Vor seiner Schwelle lieget Lazarus,

Mitleid’ge Hunde lecken seine Wunden.

 

Doch, als des Lebens kurze Frist entschwunden,

Der Reiche in der Hölle schmachten muß;

Der Arme hat des Himmels Vollgenuß,

Den Platz im Schoße Abrahams gefunden. –

 

Ihr leidet hier wohl eine kleine Zeit,

Ihr Armen und Gequälten dieser Erde,

Doch droben sollt in Gottes Schooß ihr weilen.

 

Die Ihr mit ird’schem Gut gesegnet seid,

Daß Euch ein Plätzchen auch im Himmel werde,

Vergeßt nicht wohlzuthun und mitzutheilen.

 

 

Vom großen Abendmahle

 

Zum Abendmahle lud ein reicher Mann

Sich viele Gäste. Als das Mahl bereit,

Schickt er den Diener: „Kommt, schon ist es Zeit.“

Da fangen sie sich zu entschuld’gen an.

 

„Ich kaufte einen Acker, darum kann

Ich nicht erscheinen.“ „Und ich hab gefreit,

Entschuld’ge mich.“ Der Herr voll Zorn gebeut:

„Die Armen, Lahmen, Krüppel holt heran!

 

Sucht sie auf Straßen, hinter Zäunen, Hecken!

Von allen aber, die ich erst geladen,

Von ihnen soll mein Mahl kein einz’ger schmecken.“

 

O wagt es nie zu Eurem Seelenschaden,

Weil ird’sche Dinge Ihr in’s Herz genommen,

Dem Ruf des Herrn nicht eilig nachzukommen.

 

 

Vom verlornen Schaaf

 

Ein Mann hat hundert Schaafe, er verliert

Das eine, das ihm ohne Spur verschwindet;

Er geht und sucht, bis er es wieder findet,

Nimmt’s auf die Achsel, da es müde wird.

 

Den Nachbarn, Freunden dann der treue Hirt,

Daß er sein Schaaf gefunden, froh verkündet,

Für das er größre Liebe noch empfindet,

Als für die Schaafe, welche nicht verirrt. –

 

Bist Du ein Lämmlein, das vom Weg des Herrn

Verirrte, kehre um und halte still

Der Liebe Jesu, sie verzeiht so gern!

 

Der das geknickte Rohr nicht brechen will,

Er nimmt die Sünder an, er hat sein Leben

Für der Verlornen Rettung hingegeben!

 

 

Vom Splitter im Auge

 

Der Du in Bruders Aug’ den Splitter siehst,

Und wirst den Balken nicht bei Dir gewahr,

Mach doch dein Auge erst des Balkens baar,

Eh’ Du aus Bruders Aug’ den Splitter ziehst.

 

Vergeblich Du, Blinder, Dich bemühst,

Dem blinden Bruder seine Wege klar

Zu weisen. Wenn Dein Wort ein hartes war,

Auch Du dem Zorn des Himmels nicht entflieh’st.

 

O richtet nicht! Das Maß, das an die Brüder

Ihr legt, es ist dem Maaße völlig gleich,

Mit dem der Heil’ge und Gerechte wieder

 

Euch mißt, vergebet Ihr, vergiebt er Euch!

Erkennet erst in Demuth Eure Schuld,

Und übt am Bruder Nachsicht und Geduld.

 

 

Von Petri Fischzug

 

„Das Netz zu werfen, fahre auf die Höhe,“

So spricht der Herr zu Petrus, und verzagt

Erwidert dieser: „Bis der Morgen tagt,

Fischt’ ich vergebens, doch Dein Wort geschehe.“

 

Er thut den reichsten Fischzug. „Meister, gehe

Von mir, dem Sünder.“ Voller Demuth wagt

Er nur dies Wort, allein der Heiland sagt:

„Fortan ich Dich als Menschenfischer sehe!“

 

Die Ihr zu gleichem Amt Euch ließt erwählen,

Ihr Menschenfischer, werfet ohn’ Ermüden

Die Netze aus auf göttliches Geheiß.

 

Gelang es Euch, zu sammeln fromme Seelen,

So gebet Gott, der dieses euch beschieden,

Mit demuthsvollem Sinn allein den Preis.

 

 

Von der Pharisäer Gerechtigkeit

 

„Könnt Ihr an Tugend und Gerechtigkeit

Nicht besser als die Pharisäer sein,

So geht Ihr nie zum Reiche Gottes ein,

Denn arge Heuchler sind sie allezeit.

 

Ihr Herz ist voller Falschheit, voller Neid,

Sie fürchten statt des Herrn die Welt allein,

Sie lieben nicht die Wahrheit, nur den Schein,

Und äußerlich ist ihre Frömmigkeit.

 

Sie achten höher, als das Wort des Herrn,

Der Menschen irrige und nicht’ge Lehren;

Die Lippe betet, doch das Herz ist fern

 

Von Got; der gläub’gen Demuth sie entbehren,

Der wahren Lieb’ entbehret ihre Gabe,

Sie gleichen einem übertünchten Grabe.“

 

 

Christus speist 5000 Mann

 

Du sättigst, Herr, auf wunderbare Weise

Die unabsehbar großen Menschenschaaren,

Die Dir gefolgt seit dreien Tagen waren

Durch Stadt und Wüste auf der Wanderreise.

 

Voll Staunen sah’n sie Dich zu Gottes Preise

An Gläub’gen Wunderzeichen offenbaren;

Bei Deinem Wort, dem weisen, göttlich wahren,

Vergaßen sie des Trankes und der Speise.

 

Du weißt es, daß bei Menschen sich vermählen

Der Hauch von Gott und dunkler Staub der Erde;

Wenn sich vom Worte nähren ihre Seelen,

 

Schaffst Du, daß auch der Leib gesättigt werden. –

Sorgt Ihr für Euer geist’ges, bessres Theil,

So denkt der Herr an Euer irdisch Heil. -

 

 

Von den falschen Propheten

 

„Die, welche fälschlich sich Propheten nennen,

Die sich im Schaafsgewande zu Euch schleichen,

Doch innerlich den bösen Wölfen gleichen,

Die sollt an ihren Früchten Ihr erkennen.

 

Unmöglich wär’s, daß Trauben wir gewännen

Von Dornen, und von Disteln süße Feigen;

Ein fauler Baum muß faule Früchte zeugen,

Man wird ihn niederhauen und verbrennen.“ –

 

Nicht führt die gute That in’s Reich des Herrn,

Der Glaube nur erschließt das sel’ge Leben,

Doch sprießt der Liebesbaum aus Glaubenskern,

 

Und dieser Baum muß gute Früchte geben.

Die Hoffnung ist sein Blatt und seine Blüthe,

Und seine Frucht die edle That der Güte.

 

 

Vom ungerechten Haushalter

 

Er möchte nicht zu graben sich bequemen,

Wenn ihn der Herr von seinem Amt verstieß,

Der ungerecht im Haushalt sich erwies,

Zu betteln aber müßte er sich schämen.

 

Daß des Gebieters Schuldner zu ihm kämen

erbittet er; die halbe Schuld erließ

Er ihnen Allen. Klüglich that er dies,

Daß sie ihn auf in ihre Häuser nähmen. –

 

Nicht klüglich, gleich wie dieser falsche Mann,

Nein, weise schafft Euch, als des Lichtes Kinder,

Durch ungerechten Mammon Freunde an.

 

Durch Wohlthun, glaubt, wird Euer Schatz nicht minder.

O, gebet gern wenn Euch die Armen bitten,

Daß man Euch aufnimmt in die ew’gen Hütten.

 

 

Von der Zerstörung Jerusalems

 

Auf Zion, strahlend in der Zinnen Gold,

Schaut Jesus Christus nieder von dem Hügel,

Und seiner Wehmuth läßt er frei den Zügel,

Die Mitleidsthräne ihm vom Auge rollt.

 

„Jerusalem, bald zahlt man Dir den Sold!

Bald sprengen Feinde Deiner Thore Riegel!

Ich hätt’ Dich schützend unter meine Flügel

Gesammelt, aber Du hast nicht gewollt!“ –

 

Jerusalem ist unser starres Herz,

Das nur der Weltlust lebt, das Herz der Sünder,

Und Christus steht davor und spricht mit Schmerz:

 

„Warum verlaßt Ihr mich, Ihr Menschenkinder?

O kommt, eh’ es zu spät ist, glaubt, es ruht

Sich unter meinem Flügel warm und gut.“

 

 

Vom Pharisäer und Zöllner

 

Ein Pharisäer und ein Zöllner gehen

Im Tempel beten, und der Erste spricht:

„So schlecht wie dieser Zöllner bin ich nicht,

Nach fremdem Gut nicht meine Augen spähen.

 

Auch habe keinen Mord ich zu gestehen,

Und an den Armen üb’ ich meine Pflicht.“

Der Zöllner steht von fern, neigt das Gesicht:

„Herr, laß mich Sünder Deine Gnade sehen!“ –

 

Was dünkt Euch nun? Wer wird von diesen Zweien

Gereinigt aus dem Gottestempel gehn?

Er, der mit selbstgefälligen Geberden

 

Sich fehllos nennt, er, den die Sünden reuen?

Wer sich erniedrigt, den wird Gott erhöh’n,

Wer sich erhöht, der wird erniedrigt werden! -

 

 

Vom barmherzigen Samariter

 

Ein Pharisäer spricht, von Stolz getrieben,

Zu Jesu Christ mit frömmelnder Geberde:

„Was muß ich thun, damit ich selig werde?“

Der Herr darau: „wie stehet es geschrieben?“

 

„Wir sollen Gott von ganzem Herzen lieben,

Und wie uns selbst die Nächsten auf der Erde.“

„Willst Du ein Lämmlein sein in Vaters Heerde,

So geh’,“ spricht Jesus, „dies Gebot zu üben.“

 

„Wer ist mein Nächster?“ Jesus ihm erzählt

Vom samaritischen barmherz’gen Mann,

Und fraget, wen er für den Nächsten hält?

 

„Der ist’s, der die Barmherzigkeit gethan.“

„Das hast Du recht gesagt,“ spricht Jesus nun,

„So gehe hin, desgleichen auch zu thun.“ -

 

 

Von den zehn Aussätzigen

 

Der Heiland zieht in Galiläa ein.

Zehn Männer, deren Leib voll Aussatz ist,

Sie flehn von ferne. „Zeigt,“ spricht Jesus Christ,

„Den Priestern Euch.“ Dort werden Alle rein.

 

Und Einer kehrt von ihnen nur allein

Zum Herrn zurück. Der Heiland spricht: „Du bist

Der Einz’ge, welcher nicht den Dank vergißt;

Wo aber blieben jene andern Neun?“ –

 

Wenn Du zum Höchsten riefst aus tiefer Noth,

Er möge seinen Rettungsengel senden,

Der Dich befreit aus Schmerz und Schmach und Tod

 

Und aus der Widersacher mächt’gen Händen,

Und wenn er gnädig gab, was Du verlangt,

Besinne Dich, hast Du ihm auch gedankt? -

 

 

Vom ungerechten Mammon

 

O sammelt keine ird’schen Schätze ein,

Die doch die Motten und der Rost verzehren!

Sorgt, daß des Himmels Schätze Euch gehören,

Denn ew’ge Dauer haben sie allein.

 

Ihr könnt nicht zweien Herren dienstbar sein,

Ihr werdet diesen hassen, jenen ehren,

Und hier verachten, Liebe doch gewähren,

Könnt Euch nicht Gott und auch dem Mammon weihn.

 

Sorgt nicht für Euern Leib! Der Lilien kleiden

Und Vögel nähren kann, er sorgt für Euch!

Am ersten trachtet nach dem Gottesreich,

 

Nach ird’schen Dingen trachten nur die Heiden.

Sorgt Ihr für Eurer Seele Heil und Frommen.

Wird Euch der Erde Gut von selber kommen.

 

 

Vom Jüngling zu Nain

 

Es nahet sich der Heiland Nains Thor,

Daraus ein Leichenzug sich still bewegt.

Den einz’gen Sohn der armen Wittwe trägt

Man fort, die Alles mit dem Kind verlor.

 

„O weine nicht,“ tönts in der Mutter Ohr.

Der Herr die Finger an den Todten legt

Und spricht: „steh auf!“ und sieh, der Jüngling regt

Und hebt sich, redet, wandelt wie zuvor. –

 

„O weinet nicht!“ das hat der Herr gesagt

Zu Allen denen, die sich trostlos grämen,

„Ich habe über Tod und Leben Macht,

 

Und gebe immer, schein ich gleich zu nehmen.

Ich kann Euch überschwenglich mehr gewähren

Als Ihr erbittet; trocknet Eure Zähren!“

 

 

Vom Wassersüchtigen

 

„Ist’s recht, am Sabbath heilen? saget an!“

Fragt Jesus, der zum Pharisäer geht,

Vor dessen Haus ein Wassersücht’ger steht;

Man schweiget und er heilt den kranken Mann.

 

„Wenn Euch ein Thier, fragt Christus sie sodann,

An einem Sabbathtag zu Fall geräth,

Schafft Ihr dann nicht, bis Ihr’s gerettet seht?

Wär’ Einer hier, der also nicht gethan?“ –

 

Das Amt der Liebe und das Amt der Noth

Am Feiertage selber zu verwalten,

Es streitet niemals wider das Gebot:

 

„Du sollst den Tag des Herrn für heilig halten.“

Ja, durch das Werk der Liebe geben wir

Dem Feiertage erst die schönste Zier.

 

 

Vom vornehmsten Gebot

 

Das höchste der Gebote, das Gesetze

Vereinigt hält und sämmtliche Propheten,

Ist das Gebot der Liebe; laßt uns beten

Um Liebe, diesen göttlichsten der Schätze.

 

Daß unser Herz am Wohlthun sich ergötze,

Wir liebend helfen bei des Bruders Nöthen,

Wir segnend selbst dem Feind entgegen treten,

Ob er uns auch verfolge und verletze.

 

Spräch’ ich mit Menschen- und mit Engelszungen,

Es wäre Nichts, hätt’ ich der Liebe nicht.

Durch Liebe wird der Schmerz, der Tod bezwungen,

 

Die Liebe nur besteht im Gericht.

Gott ist die Liebe, bleibst Du in ihr,

So bleibest Du in Gott und Gott in Dir.

 

 

Vom hochzeitlichen Kleide

 

Die sich der König lud zum Hochzeitsmahl,

Sie waren hinzukommen nicht bereit;

Da läßt er von den Straßen weit und breit

Die armen Krüppel holen, ohne Wahl.

 

Zu Einem spricht er aus der Gäste Zahl:

„Dich schmücket ja kein hochzeitliches Kleid.“

Und zürnend er der Dienerschaft gebeut,

Gebunden ihn zu führen aus dem Saal. –

 

Auch ich, o Jesus, bin nicht angethan

Mit hochzeitlichem Kleid, doch nehm ich Dich

Zu meinem Mittler voller Glauben an,

 

Zum großen Tisch des Vaters führst Du mich,

Und wäre roth wie Blut auch mein Gewand,

Weiß wie die Wolle wäscht es Deine Hand.

 

 

Von des Königlichen Sohn

 

„Der Du das Leben spendest selbst den Leichen,“

So spricht ein frommer Römer „angstbeklommen

Hab’, Herr, zu Dir ich meinen Weg genommen,

Dem kranken Sohn kannst Du nur Hülfe reichen.“

 

„Dies Volk begehrt der Wunder und der Zeichen,

Sonst glaubt es nicht.“ „O Herr, willst Du nicht kommen

Eh’ denn mein Kind mir stirbt?“ „Zu deinem Frommen

Hast Du geglaubt, es wird die Krankheit weichen.“

 

Ihr sollt nicht glauben nur des Wunders wegen,

Aus dem Vertrauen muß der Glaub’ entspringen,

Dann wird zu seinem Lohne ihm dagegen

 

Die Liebe ihre reichen Gaben bringen.

Die Liebe, die man selbst als Wunder preist,

Sich Wunder wirkend gläub’gem Sinn erweist.

 

 

Vom Schalksknecht

 

Ein Knecht ist schuldig seinem König; dies

Ihm zu erlassen, er vom Herrn begehrt,

Und dieser, da die Bitte er gehört,

Die schuld’gen Pfunde gütig ihm erließ.

 

Der Knecht den Mitknecht ins Gefängniß stieß

Um hundert Groschen, und der Herr erfährt

Davon. „Du Schalk hast Gnade nicht gewährt,

Da ich doch Dir Barmherzigkeit erwies?

 

„Dieselbe Pein, die er von Dir erlitten,

Die leidest Du, bis Du bezahlst die Schuld.“ –

Verzeiht den Brüdern, wenn sie reuig bitten,

 

In sieben mal siebzig Fällen übt Geduld,

Dann wird bei dem Gericht in jenem Leben

Auch Euch der Vater Eure Schuld vergeben.

 

 

Vom Zinsgroschen

 

„Soll man von uns dem Kaiser Zins erheben?“

Die Pharisäer fragen es voll List.

Der Herr, der ihre Falschheit ganz ermißt,

Läßt sich von ihnen eine Münze geben.

 

„Wes’ ist das Bild? Weß ist die Aufschrift?“ „Eben

Des Kaisers.“ Da versetzet Jesus Christ:

„So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist,

Was Gottes ist, das möget Gott ihr geben!“

 

Weß’ ist das Bild, das aus dem Aug’ uns blicket?

Weß’ unser Geist? Ein Hauch des Schöpfers nur!

Er gab uns seines Wesens eine Spur,

 

Er hat uns seinen Stempel aufgedrücket.

So laßt denn auch den Zins dem Herrn uns weihn,

Ihm unser Herz, ihm unser ganzes Sein! -

 

 

Von Jairi Töchterlein

 

Ein Oberster fällt vor dem Heiland nieder:

„Nur Du, o Herr, kannst mir ein Helfer sein!

So eben starb die theure Tochter mein,

Doch lebt sie auf, berührst Du ihre Glieder.“

 

Und Jesus folgt ihm in sein Haus. Die Lider

Im Tod geschlossen, ruht das Mägdelein.

„Nicht starb die Maid, der Schlaf nur hüllt sie ein.“

Der Herr faßt ihre Hand, - da lebt sie wieder. –

 

O tröstend Wort, das von dem Herrn ergangen

An alle Trauernden: „die Ihr beweint,

Sie sind nicht todt, nur Schlaf hält sie umfangen,

 

Bis des Erwachens großer Tag erscheint.

Auf meinen Wink wird sich der Schlummer heben,

Und allen Frommen wird ein ew’ges Leben.“

 

 

Vom Jüngsten Gericht

 

Der Herr wird rechts und links von seinem Thron

Am Tage des Gerichts die Seelen scheiden.

Zur Rechten spricht er: „Kommt zu ew’gen Freuden,

Für Eure Liebe nehmet jetzt den Lohn.“

 

„Beherbergt habet Ihr des Menschen Sohn,

Ihr thatet seinen nackten Leib bekleiden.“

Zur Linken spricht er: „Geht zu ew’gen Leiden,

Ihr reichet mir kein Brod, nur Schmach und Hohn.“

 

Und wenn die Seelen der Gerechten sprechen:

„Wann hätten wir beherbergt Dich?“ Und die

Der Ungerechten: „Dir das Brod zu brechen,

 

Nicht möglich war es, denn wir sah’n Dich nie.“

Dann heißt es: „Was dem Bruder Ihr gethan,

Das thatet Ihr auch mir, dem Heiland, an.“